Beim Bauen sind Minergie-P-Eco, Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) und 2000-Watt-Areale bereits bestens bekannte Normen. Der Neubau in Chur mit dem Titel FAR (rätoromanisch für Leuchtturm) geht jedoch einen Schritt weiter. Das Leuchtturmprojekt ist gekennzeichnet durch Ideen der Ressourcenschonung und Suffizienz. Unter dem Lead von G+P als Nachhaltigkeitsplaner wird das Netto-Null-Ziel anvisiert. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes von der Projektierung bis zur Erstellung, Bewirtschaftung und auch dem in weiter Ferne liegenden Rückbau berücksichtigt.
Ein innovatives Projekt durch Erneuerung bewährter Ideen und Technik
Das Gebäude wurden von den preisgekrönten Architekten «Comamala Ismail Architectes» entworfen. Es handelt sich hierbei um den Neubau eines Verwaltungsgebäudes, welches zukünftig als Verkehrsstützpunkt der Kantonspolizei Graubünden genutzt wird. Die Anwendung altbewährter Grundsätze für nachhaltiges Bauen ist offenkundig: kompaktes Volumen, reduzierte Konstruktion sowie klare, einfache Strukturen und Flexibilität. Aber Netto-Null verlangt noch mehr und deshalb wurde G+P mit an Bord geholt. Durch die Wahl der Baustoffe und durch Optimierung der Bauteile gilt es Ressourcen zu schonen und die Umweltbelastungen so weit wie möglich zu reduzieren. Gleichzeitig sollen jedoch alle Aspekte der Architektur und sämtlicher Fachplaner im Planungsteam berücksichtigt werden, ohne dabei die gesetzlichen und normativen Anforderungen aus den Augen zu verlieren.
Die folgenden Punkte machen dieses Gebäude einzigartig:
- Sämtliche tragenden Bauteile werden in Recycling-Beton ausgeführt. Das Aushubmaterial wird direkt wiederverwendet und möglichst zur Betonerzeugung im in Gehdistanz liegenden Betonwerk verarbeitet.
- Die Fassaden übernehmen nicht nur den Wärme-, Sonnen- und Wetterschutz, sondern dienen auch der Stromproduktion. So werden im Bereich der Brüstungen auskragende, um 45° geneigte Photovoltaikmodule einen wesentlichen Teil der Betriebsenergie inklusive eines Überschusses produzieren.
- Der gesamte Neubau wird als Massiv-Hybridbau ausgeführt. Mit nachhaltigem Bauen unvereinbare Materialien und Systeme werden konsequent nicht verwendet. Dazu zählen beispielsweise Biozide oder Holzschutzmittel sowie schädliche Klebstoffe in Innenräumen.
- Alle nichttragenden Wände werden in Lehmbauplatten erstellt.
- Der Materialverbrauch wird auf das Sinnvolle und Nützliche vermindert. So wird beispielsweise auf Unterlagsböden oder abgehängte Decken sowie Verputze, Vorsatzschalen und Farbanstriche möglichst verzichtet.
- Des Weiteren werden auch Materialien und Bauteile eingesetzt, die einmal in einem anderen Gebäude verbaut waren (z. B. Fenster aus einem Abrisshaus). Eine solche Wiederverwendung der Ressourcen soll auch in Zukunft bei einem allfälligen Rückbau möglich sein – Kreislaufwirtschaft ganz im Sinne von G+P.
Mikroklima und Biodiversität
Die grosszügige Umgebungsfläche bietet Raum für unversiegelte Flächen mit unterschiedlichen Bepflanzungen einheimischer Arten. Durch diese Umgebungsgestaltung werden aufgeheizte Asphalt- und Fassadenflächen sowie fehlende Schattenflächen vermieden. Mit solch einfachen Massnahmen kann ein angenehmes Mikroklima für die Nutzer kreiert werden.
Massvoll auch bei der Gebäudetechnik
Beim Fokus auf das anvisierte Netto-Null-Ziel wurde das Energiekonzept früh geplant. Die Anbindung des Gebäudes an das CO2-neutrale, lokale Energienetz bot sich schon in den allerersten Planungsphasen an. Ressourcenschonung und Einfachheit auch hier. Mittels Wärmepumpe wird über die Decken als thermoaktive Bauteilsysteme (TABS) beheizt und, nur wo wirklich nötig, gekühlt. Suffizienz heisst das Schlagwort. Alle Räume werden minimal mechanisch belüftet. Über Lüftungsflügel kann zusätzlich eine Nachtauskühlung erfolgen, was eben das aktive Kühlen mittels Wärmepumpe verhindern soll. Der rechnerische Nachweis belegt, dass die Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und an der Fassade mehr als genügend Strom für die Haustechnikanlagen, die Büros und die Betriebsflächen liefern. Überschüssiger Stromertrag wird in Batterien und dem Warmwasserspeicher gespeichert; damit kann der Strombedarf von Schlechtwettertagen überbrückt werden. Anstelle der Rückspeisung ins Netz kann er zukünftig auch zur Ladung batteriebetriebener Fahrzeuge verwendet werden. Die technischen Leitungsführungen für Elektro und Lüftung erfolgen sichtbar.
Mit dem Planungsteam auf der Höhe der Zeit
Das Projekt wird mit der integralen BIM-Methode geplant und realisiert. Dies umfasst einerseits die Erstellung koordinierter, digitaler Bauwerksmodelle, anderseits die Gestaltung disziplinübergreifender, transparenter Planungs- und Nutzungsprozesse. Die BIM-Methode wird nicht nur für die Bauplanung verwendet, es können viel mehr auch Prozesse während des Betriebs mit dieser Methodik berechnet werden. G+P bietet hierbei Hand und führt diverse Berechnungen mit BIM aus. Energetische Betrachtungen und Nachweise, die Berechnung der so genannten Grauen Energie oder Simulationen der Raumtemperaturen oder der Raumlufthygiene im Jahresverlauf gelingen so auf Knopfdruck.
Auf dem Weg zur Schweiz 2.0
FAR ist die Antwort auf die Risiken des Klimawandel und wird als Anschauungsobjekt und gleichzeitig als Basisobjekt für Anpassungen in den einschlägigen Normen und Gesetzgebungen sorgen. Die Erfahrungen aus dem Projekt werden zum Aufbau und zur Etablierung einer neuen zukunftsgerichteten Bestsellerkompetenz führen und Grundlagen für mögliche Anpassungen gesetzlicher Grundlagen und Beitragsformen im Gebäudebereich liefern. G+P ist unglaublich stolz, mit diesem Projekt einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg in die bebaute Schweiz der Zukunft massgeblich mitgestalten zu dürfen.