Kurvengeräusche auf dem bernischen Tramnetz
Wer schon mal am Zytglogge auf sein Rendez-vous gewartet, oder in einem der Cafés am Theaterplatz in Bern seinen Morgenespresso getrunken hat, kennt das Geräusch: Das Quietschen von Trams, welche insbesondere bei kleinen Kurvenradien – wie sie beim Zytglogge vorzufinden sind – kurzzeitig zu hoher Lärmbelastung führen können. Da Trams grundsätzlich vor allem in Ballungszentren verkehren, sind potenziell sehr viele Anwohner vom Tramquietschen betroffen. Entsprechend hoch ist die Motivation bei den städtischen Verkehrsbetrieben, effiziente Massnahmen gegen diese unangenehmen Geräusche zu finden.
Video: Ton- und Bildaufnahmen zweier sich kreuzender Trams. Bei der ersten Vorbeifahrt ist ein Spurkranzzischen zu hören, bei der zweiten Vorbeifahrt dominiert das Kurvenkreischen.
Suche nach effizienter, wartungsextensiver Massnahme
Eine bewährte Massnahme zur Verminderung der Kurvengeräusche von Bahnen ist die Schmierung der Gleise. Auf dem städtischen Tramnetz von BERNMOBIL sind bei allen neuralgischen Kurvensituationen permanente Schmiersysteme in Betrieb. Durch diese Massnahme konnten in den letzten Jahren die Kurvengeräusche deutlich reduziert werden. Aufgrund der geringen Flexibilität und des hohen Wartungs- und Erneuerungsaufwandes, der mit den vielen Anlagen an den Kurven einhergeht, investierte BERNMOBIL in den letzten Jahren in die Entwicklung eines neuen, mobilen Schmiersystems, die an den Trams selbst installiert sind.
Abbildung 1: Das heutige System basiert auf stationären Anlagen, welche vor den Kurven aus mehreren Düsen Schmiermittel auf die Tramschienen schmieren (links). Das neue mobile Schmiersystem wurde in der 2. Versuchsphase so installiert, dass 40m vor der Kurve und unmittelbar vor der Kurveneinfahrt GPS-gesteuert Schmiermittel auf die Schienen gesprüht wurde (s. Düsen am Fahrwerk im rechten Bild; Quelle: Matthias Rogger, BERNMOBIL).
G+P führt mehrwöchige Messungen des Versuchsbetriebs durch
Im Rahmen von zwei Testphasen in den Jahren 2018 und 2020 prüften BERNMOBIL und Grolimund + Partner das neue Schmiersystem am Le-Corbusier-Platz in Bern-Bethlehem. Da die Kurvengeräusche bei kälterer Witterung tendenziell öfter auftreten, wurden die Messungen jeweils im November/Dezember durchgeführt. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch im Jahr 2018 wurde für den Versuchsbetrieb im Jahr 2020 bei sieben Kursfahrzeugen das erste Fahrwerk mit einer Sprühanlage ausgestattet, welche GPS-gesteuert vor den Kurven Öl auf die Schienen schmiert.
Grolimund + Partner hat für die Messung und Auswertung der über 2'000 Tramvorbeifahrten seine langjährige Erfahrung bei der Analyse von lärmigen Quietschereignissen bei Bahnen zu Nutze gemacht. Hauptziel des Versuchsbetriebs war der Nachweis, dass die Wirkung des neuen, mobilen Systems mindestens gleich hoch ist wie diejenige der bestehenden Schmieranlagen.
Abbildung 2: Typischer Pegelschrieb von zwei Tramvorbeifahrten, jeweils ohne nennenswertes Kurvengeräusch (schwarz) und mit deutlichem Kurvenkreischen und Spurkranzzischen (rot). Bei Tramvorbeifahrten ohne auffälliges Kurvengeräusch sind die 4 Fahrwerke der 7-teiligen Gelenktriebwagen deutlich als relativ symmetrische, gleichförmige Amplituden ersichtlich. Bei Tramvorbeifahrten mit deutlichem Kurvengeräusch sind die Fahrwerke nicht mehr so deutlich zu erkennen, da oft mehrere Fahrwerke gleichzeitig Lärm emittieren.
G+P weist lärmmindernden Effekt nach
Die Analyse der akustisch komplexen Situation durch Grolimund + Partner hat wertvolle Erkenntnisse geliefert. Zwei eindeutig differenzierbare Geräusche wurden festgestellt: ein hochfrequentes Kurvenkreischen (Tramquietschen) und ein tieferfrequentes Spurkranzzischen (Hör dir die Kurvengeräusche in der Aufnahme weiter oben an!). Erfreulicherweise zeigt das mobile Sprühen der Tramgleise gegen beide Kurvengeräusche Wirkung: der Anteil der lärmigen Vorbeifahrten hat um fast die Hälfte abgenommen, so dass nur noch jedes 6. Tram nennenswerte Kurvengeräusche von sich gibt. Stark reduziert hat sich dabei vor allem der Anteil des für das menschliche Ohr unangenehmen hochfrequenten Kurvenkreischens. Aber nicht nur das Quietschen der Trams wurde seltener – auch die Lautstärke hat um das Zwei- bis Dreifache abgenommen.
Fazit: Das neue Schmiersystem hat Zukunft
Um den lästigen Kurvengeräuschen den Garaus zu machen, investieren viele Verkehrsbetriebe vermehrt in die Forschung von lärmmindernden Schmiersystemen – so auch BERNMOBIL. Grolimund + Partner unterstützten den Berner Verkehrsbetrieb, indem sie die akustische Wirkung eines neuen, mobilen Schmiersystems in engen Tramkurven untersuchten. Hierbei konnte G+P die verschiedenartigen Geräusche der komplexen Lärmsituation messtechnisch erfassen und wertvolle Erkenntnisse gewinnen: Das mobile Schmiersystem hat Potenzial – nicht nur bei der Verminderung des Wartungsaufwandes, sondern auch bei der Eindämmung der unangenehmen Kurvengeräusche.